Mein Bedürfnis einfach mal aus meinem bisherigen Alltag zu fliehen und mehrere Tage weg zu fahren wurde von Tag zu Tag größer. Ich wollte wegfahren, obwohl ich in den letzten Monaten genug „weg“ war. Unter anderem zwei Reha Aufenthalte. Ich sehnte mich nicht nur nach Ferne, sondern einfach mal für mich zu sein und eventuell wieder ein wenig zu mir zu finden. Ein Urlaub eignet sich für solche Dinge ja immer ganz gut, also begann ich gemeinsam mit meinem Freund meinen ersten Urlaub im Rollstuhl zu planen. 5 Tage Rügen sollten es werden.
Ich stellte mir auch eine kleine Herausforderung: Das Handy bleibt zu Hause. Ich kann euch jetzt schon sagen das ich es wirklich getan habe und es tat nicht weh:D Kann es wirklich nur weiter empfehlen. Es war die beste Entscheidung überhaupt.
Es war zugegeben alles ein wenig kurzfristig aber wir waren optimistisch, dass alles klappen wird. Wenn nicht, wird improvisiert. Darin sind wir mittlerweile geübt. Nach langem Suchen haben wir etwas gefunden. Dachten wir. Auf der Startseite war ein gemütliches kleines Hotel zu sehen mit einigen Treppen am Eingang. Da uns die Optionen langsam ausgingen waren wir uns einig – Egal, irgendwie wird das schon. Zur Not wird getragen. :p Leben am Limit.
Buchung erledigt mit dem Vermerk, Bitte wenn möglich ein Zimmer im Erdgeschoss!
Los geht’s zum abenteuerlichen Urlaub im Rollstuhl!
Wir fuhren montagvormittags los. Ziel: Hotel & Restaurant – Zum Kap Arkona , Putgarten.
Als wir im Hotel ankamen war ich erleichtert: Ein Zimmer im Erdgeschoss, die Türen breit genug und es wurden sogar noch schnell ein Duschhocker und eine Antirutsch – Matte besorgt. Der Urlaub im Rollstuhl konnte beginnen.
Achso, die Treppen auf dem Bild der Homepage: Es war der Hintereingang.
Nach der Zimmerbesichtigung ging es direkt nach Glowe. Ich drängelte wie ein kleines Kind, dass ich an den Strand und ans Meer wollte. Also wurde der Rollstuhl oben an der Promenade abgestellt und mein Freund trug mich das letzte Stück. Endlich – das Rauschen des Meeres im Ohr, die Möwen über und der Sand unter mir. Ich war am Strand und der glücklichste Mensch auf Erden. Für einige ja leider immer noch unvorstellbar im Rollstuhl am Strand zu sein, aber es funktioniert. Teilweise mit Hilfe, aber es ist machbar und soooo verdammt schön.
So langsam kam der Hunger wieder und es ging ins Pier 32. Geniales Essen und super Bedienung.
Am nächsten Tag fuhren wir zum Baumwipfelpfad im Naturerbezentrum Rügen. Ein Traum für jeden Rollstuhlfahrer. Es gibt quasi nichts, was man nicht wie alle anderen begehen, sehen und erleben kann. Wie auch auf der Homepage nachgelesen werden kann, ist durch die geringen Steigungen ein Befahren mit dem Rollstuhl problemlos möglich. Aber eins sei noch gesagt, es ist trotz alledem schon als sehr sportlich zu betrachten, da die Steigung sich bis gaaaanz oben durchzieht. Es ist dementsprechend von Vorteil, jemanden für den Notfall als Begleitung dabei zu haben, falls die Arme doch mal nachgeben. Ist man einmal oben ist der Ausblick ein Traum. Es lohnt sich wirklich – einfach nur schön.
In Binz haben wir ebenfalls Halt gemacht. An diesem Tag war es allerdings sehr, sehr windig. Auf den Steg herauf hat es mich dadurch sehr viel Anstrengung gekostet aber es hat sich gelohnt.
Und zurück konnte ich mich, Dank Rückenwind, entspannt rollen lassen, was bei dem einen oder anderen Urlauber neidische Blicke auslöste und sogar Kommentare wie: “Oh guck mal, die kann sich schieben lassen. Hat die es gut.“ Ich musste schmunzeln und hatte einen Vorteil mehr für mich entdeckt, die die Sache mit sich gebracht hat.
Im Großen und Ganzen kommt man aber, wie ich finde, auch sehr weit an die Strände heran. Top.
Weiter ging es dann nach Sellin. Da ich, dank meines Freundes wusste, dass der Strand trotz der Lage mit Fahrstuhl erreichbar ist, habe ich den Besuch mit Gelassenheit betrachtet. Nichts ahnend, dass er trotzdem noch in den Genuss kommen sollte, mich heute noch mindestens einmal tragen zu müssen. Wir wollten ja noch ein paar Bilder machen. Wie immer sah er das mit seiner gewohnten Gelassenheit.
Und auch hier zeigt sich eine herrliche Kulisse der Natur. Der Wellengang war sehr kräftig, aber das hat dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt.
Sassnitz – ebenfalls eine Traumkulisse. Der Ausflug endete zwar sehr durchnässt, aber zufrieden. An diesem Tag ließ sich sogar die Sonne blicken. Ein weiteres Mal starrte ich glücklich und zufrieden aufs Meer. Schaute zu, wie die Wellen an die Seebrücke peitschten, wie die Kinder in Ihren Regensachen versuchten der unfreiwilligen Dusche zu entkommen und die Sonne auf dem Wasser glitzerte. Ein Moment von dem ich mir wünschte, dass er nie endet.
Unseren letzten Strandausflug haben wir zu Fuß bestritten. Ausgestattet mit Regensachen die wir uns noch schnell organisieren mussten, da uns das Wetter zu Wind und Wolken auch noch Regen bescherte, gingen wir los. Geplant war: Putgarten – Karp Arkona – Vitt – Putgarten.
Hier sei gesagt, dass uns der Weg stellenweise vor Herausforderungen stellte, weil ich realistisch gesehen einen Geländewagen benötigt hätte. Was dieser Ausflug uns definitiv brachte, war Spaß!! Übertrieben gesagt hätte ich spätestens an diesem Tag einen neuen Rollstuhl gebraucht und mein Freund einen neuen Rücken, aber es war wirklich toll.
Der Weg war stellenweise wirklich sehr beschwerlich aber wir haben die Herausforderung mit Bravur gemeistert.
Das sind übrigens die Momente in denen ich froh bin, dass ich es endlich gelernt habe Hilfe anzunehmen. Dies hat mir (auch in diesem Urlaub) ermöglicht ein paar tolle Momente und Erlebnisse zu haben die ewig in Erinnerung bleiben. Vitt ist übrigens sehr schön. Ein kleines süßes Fischerdorf mit sehr viel Charme. Definitiv einen Ausflug wert.
Das Oceaneum in Stralsund war auf der Rückreise der letzte Halt. Für Rollstuhlfahrer ebenfalls kein Problem und ein Besuch hier ist sehr empfehlenswert – für Groß und Klein! Für die Innenstadt solltet ihr allerdings fahrerisch einigermaßen fit sein, da doch viel Kopfsteinpflaster vorhanden ist. Oder ihr habt einfach eine helfende Hand, das löst dieses Problem von ganz allein.
Jede einzelne Sekunde Mut, Wahnsinn und Leichtsinn haben sich in diesem Urlaub gelohnt. Die Kamera war immer dabei, die Klamotten und Schuhe waren jeden Tag aufs Neue hin. Den ganzen Tag draußen bei Wind und Wetter. Ich habe viele Erfahrungen und Eindrücke mitgenommen, Grenzen austesten und überwinden können.
Ich freu mich jetzt schon auf´s nächste Mal.
Ach, und eins noch. Was ich nach diesem ersten Urlaub im Rollstuhl auf jeden Fall bestellt habe ist der Euro WC Schlüssel. Er macht Fahrt wie auch Aufenthalt um einiges leichter was die Toilettenproblematik angeht!
Falls ihr noch ein paar Infos zu einem Urlaub im Rollstuhl sucht, schaut doch mal auf Rollstuhl-Urlaub.de rein.
Kommentare (3)
Pingback: Hallo Winter, lange nicht gesehen! | Miss Rock'n'Rolla
Hallo Missrocknrolla, danke für deinen Beitrag. Um es kurz zu machen, ich sitze auch im Rolli, bin aber noch aktiv. Ich fahre jedes Jahr mit meiner Freundin + Sohn für drei Wochen nach Thiessow/Rügen. Bisher hat alles auf der Insel geklappt und ich durfte viel Hilfe erfahren. Bisher haben wir uns gesträubt nach Kap Arkona zu fahren. Unserer Information zufolge, ist diese Region für uns Rollifahrer nicht geeignet. Ich kann mir das im Jahr 2021 nicht recht vorstellen. Ist es wirklich so? Danke für deine Antwort, Heiko
Hey, ich war leider lange nicht mehr online. Das Familienleben fordert viel zeit ,aber ich werde jetzt tatsächlich wieder aktiver. Ich kann mich noch git an die reise erinnern. man muss schon ein sehr guter fahrer sein,aber ja es ist tatsächlich viel möglich dort, auch mit Rollstuhl. Natürlich wird man die ein oder andere helfende Hand benötigen, aber da du mit Familie fährst, sollte das kein Problem sein. LG Maria und ich hoffe ihr hattet einen tollen Urlaub.